Die Bundeswehr ist in Deutschland einer der
größten, wenn nicht sogar der größte Betreiber
von Radaranlagen. Heer, Luftwaffe und Marine
setzen eine Vielfalt
von Radargeräten am Boden,
auf Schiffen und in
Flugzeugen ein – alles in
allem sicherlich
mehrere tausend Geräte.
In den viereinhalb Jahrzehnten
seit der Gründung der
Bundeswehr sind
Zehntausende von Soldaten zur
Bedienung, Prüfung,
Wartung und Instandsetzung
ausgebildet oder als
Lehrpersonal eingesetzt
worden.
Eine Definition
für „Radarsoldaten“ gibt
es nicht. Genaue Zahlen
sind deshalb nicht zu
ermitteln.
Die Luftwaffe gibt 12.000 seit 1956 an,
die Marine 45.000 bis
48.000, das Heer etwa
3.000
Instandsetzungstechniker und 22.000 Bediener.
In der Presse ist die
Zahl von 20.000 Radartechnikern
genannt worden, die
zwischen
Ende der fünfziger bis
Anfang der achtziger Jahre
an Radargeräten
gearbeitet hätten.
Eine größere Zahl von
ihnen ist schwer erkrankt.
Beim
Verteidigungsministerium haben sich mehr
als 400 Betroffene
gemeldet; andere gehen von
rund 1000 Erkrankten
aus.
Sie leiden an
Krebs,
Herzrhythmusstörungen
und an Immunschwäche;
einige sind inzwischen
gestorben. Viele führen
ihre Erkrankung darauf
zurück, dass sie in den
sechziger und siebziger
Jahren Radargeräte bedient
oder repariert haben,
die gesundheitsschädigende
Röntgenstrahlen
abgaben.
Fast 250 aktive und
ehemalige Soldaten haben
inzwischen Anträge auf
Anerkennung einer
Wehrdienstbeschädigung
wegen ihrer Tätigkeit
an Radargeräten
gestellt. Einige werden vom
Bundeswehrverband,
andere von Selbsthilfegruppen vertreten.
Gegen den
Bundesminister der
Verteidigung ist ein
Strafantrag gestellt worden.
Ein Berliner
Rechtsanwalt bereitet eine Sammelklage
gegen ITT und Raytheon
vor, die amerikanischen
Hersteller der anfangs
in der Bundeswehr
verwendeter
Radargeräte.
Die Presseveröffentlichungen
und Fernsehsendungen
über das
Thema haben zu einem
kräftigen Anstieg der
Entschädigungsanträge
geführt, was sogar einen
Vorkämpfer der
Betroffenen zu der Bemerkung
veranlasste: „Bei den
meisten davon fällt es selbst
mir schwer, einen
kausalen Zusammenhang zu erkennen“.
In der deutschen
Öffentlichkeit hat das Thema
Radar während der
zurückliegenden Monate fast
soviel Beachtung
gefunden wie zu Beginn des
Jahres das Thema
DU-Munition.
Anhängige Gerichtsverfahren
werden aufmerksam
verfolgt.
Kritische Ärzte melden
sich zu Wort. Noch längst
nicht abgeschlossene
wissenschaftliche Studien
finden bruchstückhaft
Eingang in die Berichterstattung.
Wiederum wurden dabei
schwere Vorwürfe
gegen die Bundeswehr
erhoben:
• Wegen unzulänglicher
Strahlenschutzmaßnahmen
sei militärisches
Personal ebenso wie
Zivilpersonal dauerhaft
einer überhöhten
radioaktiven Strahlung
ausgesetzt gewesen.
Dabei habe es
wissentliche Verstöße gegen die
Strahlenschutzverordnung
gegeben.
• Die Zentralen
Dienstvorschriften seien viel zu
spät an die im zivilen
Bereich vorhandenen Erkenntnisse
angepasst worden. Bei
der Formulierung
der
Sicherheitsbestimmungen und der
Festlegung der
Grenzwerte habe die Bundeswehr
hinterhergehinkt.
• Es lägen keine
Messwerte von alten Geräten
vor; daher sei die vor
Jahrzehnten aufgenommene
Strahlung nicht zu
belegen. Ohnedies sei
die
Strahlendosis-Abschätzung anfänglich nur
an intakten, nicht
jedoch an defekten Geräten
vorgenommen worden, wie
sie von den Technikern
repariert werden
mussten.
• Die Entscheidungen
über Wehrdienstbeschädigungen
dauerten zu lange. Das
Einfordern
von Einzelnachweisen
der Strahlendosis, denen
die Betroffenen
ausgesetzt waren, benachteilige
die Geschädigten, da
ihnen so bei der
Prüfung von Renten- und
Entschädigungsansprüchen
die Beweislast
auferlegt werde.
Vor
allen Dingen kämen die
bereits ausgeschiedenen
Zeit- und
Berufssoldaten nicht in den Genuss
einer vom
Bundesverteidigungsminister
avisierten „großzügigen
Lösung“ auf Grund jener
„Kann-Bestimmung“, die
es nach § 81 (6)
des
Soldatenversorgungsgesetzes erlaubt,
Soldaten auch in
unklaren Fällen Entschädigungen
zuzusprechen.
Die Fälle
der Ausgeschiedenen
würden vom
Arbeitsministerium
entschieden, das nicht
über solch einen Ermessensspielraum
verfügt.
Ein Teil dieser
Vorwürfe lässt sich entkräften. Einige
jedoch sind nicht
unbegründet. Während die
Bundeswehr sich in
punkto DU-Munition außer
einer feiertäglichen
PR-Schwäche nichts vorzuwerfen
hat, liegen die Dinge
in Sachen Gesundheitsschädigung
durch Radar weniger
einfach.
Aus heutiger Sicht
waren die Geräte in den frühen
Jahren nicht immer
hinlänglich abgesichert, die
wissenschaftlichen
Erkenntnisse noch unvollkommen,
die
Sicherheitsvorschriften nicht ausreichend,
oder sie wurden nicht
ausreichend beachtet.
In dieser Hinsicht hat
es in den sechziger und
siebziger Jahren
Säumnisse und Versäumnisse gegeben.
Sie kommen durchaus als
Ursache für
mittlerweile aufgetretene
Spätschäden in Frage.
2.
RADARSTRAHLUNG: WAS IST
DAS?
Die Ortung und
Vermessung mittels Funkwellen, englisch
Radio
Detecting And Ranging,
ist ein in den zwanziger und dreißiger Jahren
des zwanzigsten
Jahrhunderts
entwickeltes Verfahren, das
im Zweiten Weltkrieg
erstmals weite militärische
Verbreitung gefunden
hat.
Inzwischen sind vielfältige
zivile Anwendungen
hinzugekommen,
zum Beispiel die
Flugüberwachung, die Wetterbeobachtung,
die Navigation von
Schiffen und
Flugzeugen oder die
Geschwindigkeitsmessung
im Straßenverkehr.
Ohne
die Radartechnik wäre
vieles nicht möglich,
was uns heute selbstverständlich
erscheint – etwa die
massenhafte Geschäfts-
und Urlaubsfliegerei,
die im Jahr 2000
die Zahl der
Flugbewegungen allein im europäischen
Luftraum auf 8,6
Millionen ansteigen ließ.
Allen Grundtypen von
Radargeräten ist gemeinsam,
dass sie eine
hochfrequente elektromagnetische
Strahlung
(HF-Strahlung) erzeugen und
aussenden. Sie wird von
den getroffenen Objekten
reflektiert.
Der
ausgesandte Strahl, die so genannte
Radarkeule, ist je nach
Gerätetyp von
unterschiedlicher
Gestalt.
– Überwachungsradare dienen der
Luftraum-,
Seeraum- oder
Wetterbeobachtung und der Navigation.
Sie senden mit einer
sich drehenden
Antenne kurze Impulse
der HF-Strahlung aus
und ermitteln aus der
Laufzeit des Echos und
der Ausrichtung der
Antenne Entfernung und
Richtung des Objekts.
Ihre Radarkeule bildet
einen vertikalen
Fächer.
– Feuerleitradare dienen der Ermittlung
genauer
Zieldaten für den
Waffeneinsatz.
Ihre Antenne
wird direkt auf das
Ziel ausgerichtet und
sendet eine scharf
gebündelte Radarkeule aus,
die ebenfalls aus
kurzen Impulsen besteht. Die Charakteristik
des ausgesandten
Radarsignals
erlaubt es, die
Bewegung des Ziels zu erkennen
und die Antenne
automatisch nachzurichten.
– Beleuchtungsradare sind besondere
Feuerleitradare.
Sie senden ein nicht
gepulstes, kontinuierliches
HF-Signal zu einem
Ziel, das
durch Lenkwaffen
(Raketen) bekämpft werden
soll.
Die Abwehrrakete
empfängt und peilt die
reflektierte Energie
und lenkt sich ins Ziel.
– Radargeräte zur
Geschwindigkeitsmessung
senden ein nicht
gepulstes Dauersignal in
Messrichtung. Bei der
Reflektion zum Beispiel
an einem Auto, das sich
auf das Messgerät zubewegt
oder sich von ihm
entfernt, wird die
Frequenz der
HF-Strahlung verändert (Doppler-
Effekt). Aus dem
Frequenzunterschied lässt
sich die
Geschwindigkeit des Fahrzeugs errechnen.
Diese verschiedenen
Geräte strahlen in ganz
unterschiedlicher Weise
Energie ab. Während die
Antennen von
Überwachungsradaren die Energie
gleichmäßig rundum
aussenden, geht die Strahlung
der anderen Geräte nur
in eine Richtung, die
sich, wenn überhaupt,
nur langsam verändert.
Luftraumüberwachungs-,
Feuerleit- und Beleuchtungsradare
arbeiten mit hohen
Leistungen (typische
Werte: 200 – 20 000
Watt CW-Leistung ,
um auch über große
Entfernungen sichere Zieldaten
zu ermitteln.
Geschwindigkeitsmessradare
arbeiten auf sehr kurze
Distanz und daher mit
sehr geringer Energie
(typische Werte: 0,0005 –0,01 Watt).
Bei größeren
Radaranlagen sind der Sender, in
dem die Strahlung
erzeugt wird, die Antenne und
der Bildschirm
getrennte Geräte. Die Antennen befinden
sich im Freien, Sendegeräte und
Bildschirme
in geschlossenen, aber
meist getrennten
Räumen.
Die Bundeswehr
verwendet Radargeräte für vielerlei
Zwecke:
Im Heer finden sie
einerseits bei der Artillerie
Verwendung, um die
Flugbahnen gegnerischer
und eigener Geschosse
zu vermessen. Andererseits
sind sie auf
Flugabwehrpanzern zur Zielerfassung
und Waffenleitung
eingebaut.
Die Luftwaffe überwacht
mit großen Radaranlagen
den Luftraum.
Die
Raketenverbände der
Luftverteidigung – im
Laufe der Jahre die Waffensysteme
HAWK,
NIKE PATRIOT
–
können
mit Radargeräten Ziele
erfassen und verfolgen;
auch die Abwehrraketen
werden mit Radar ins
Ziel gelenkt. Flugzeuge
verfügen über ein meist
in der Flugzeugnase
eingebautes Radar für die
Navigation und zur
Zielerfassung.
Die Marine unterhält
auf ihren Schiffen zum Teil
sehr umfangreiche
Systeme unterschiedlicher Radaranlagen,
die unter anderem die
gleichen Funktionen
haben wie die Anlagen
der Luftverteidigung.
Hinzu kommen
Navigationsgeräte und
Störsender, die
Radarsignale simulieren.
Schließlich
verfügt die Marine über
Flugzeuge und Hubschrauber
mit Radarausrüstung und
über Küstenradarstellen.
Strahlungsarten
an Radargeräten
Radarsendegeräte
erzeugen HF-Strahlung, die
über ein Hohlleiter
genanntes Rohr zur Sendeantenne
geleitet wird. Zugleich
entsteht in Senderöhren,
wenn die
Beschleunigungsspannung fünf
Kilovolt übersteigt,
auch Röntgenstrahlung –
Die so genannte
Störstrahlung, die nicht über die Antenne
abgestrahlt wird.
Außerdem kann Strahlung
von radioaktiven
Stoffen in Röhren und Leuchtfarben
ausgehen.
Solche
Leuchtfarben wurden
jahrzehntelang
verwendet, um in den abgedunkelten
Radarbedienräumen die
Tasten der Geräte
sichtbar zu
machen.
Bei der Betrachtung
möglicher Gesundheitsschädigungen
ist zwischen
ionisierender und nichtionisierender
Strahlung zu
unterscheiden.
Die
hochfrequente
Radarstrahlung ist nichtionisierend,
die
Röntgenstörstrahlung ist ionisierend.
Beide werden für
unterschiedliche Gesundheitsschäden
verantwortlich gemacht.
Radarstrahlen
können zu Verbrennungen
führen, Röntgenstrahlen
können Krebs
auslösen.
Ferner ist zu
unterscheiden zwischen stochastischen
– also zufallsbedingten
– und deterministischen
Strahlenwirkungen.
Stochastische Risiken
ergeben sich durch
ionisierende Strahlung schon
bei sehr geringen
Belastungen. Diese können –
darüber ist sich die
Wissenschaft einig – Krebs
hervorrufen. Die
Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung
nimmt mit der
Intensität und Dauer der
Exposition zu, das
heißt: das Risiko summiert
sich.
Zur Begrenzung
stochastischer Gefährdungen
werden zeitbezogene
Grenzwerte angegeben,
etwa Höchstdosen pro
Jahr, Schädigungen können
aber schon bei einer
weit darunter liegenden
Dosis
eintreten.
Im Unterschied dazu
gilt für deterministische
Wirkungen, dass ein
Schaden ausschliesslich
beim Überschreiten
bestimmter Grenzen ausgelöst
wird.
So bewirkt
HF-Strahlung eine Erwärmung
des Körpers, doch nur
bei Überschreitung
einer bestimmten
Strahlungsintensität eine Verbrennung.
Belastungen unterhalb
der Schwellen
haben keine
gesundheitsschädigende Wirkungen
und summieren sich auch
nicht.
Radar-Strahlung
Die in einem
Radarsender erzeugte HF-Strahlung
wird von der Antenne
gebündelt und als Radarkeule
in eine Richtung
ausgesandt.
In der Hauptkeule
treten bei starken
Geräten sehr hohe Strahlungswerte
auf, niedrigere
hingegen in den so genannten
Nebenkeulen.
In aller
Regel verläuft die
Hauptkeule so hoch über
dem Boden, dass niemand
einer Strahlung
nennenswerter Intensität
ausgesetzt
wird.
HF-Strahlung erwärmt
Zellen und Materialien.
Dieser Effekt wird zum
Beispiel in Mikrowellengeräten
genutzt.
Bei
Radargeräten kann normalerweise
nur von HF-Strahlung
getroffen werden,
wer sich im
Gefahrenbereich der Antenne aufhält.
Wer an einem
Radarschirm arbeitet, kann durch
HF-Strahlung allenfalls
dann getroffen werden,
wenn in seiner Nähe der
Hohlleiter defekt ist, der
die Sendeenergie von
der Senderöhre zur Antenne
überträgt.
Jede zu
starke Exposition bewirkt
eine innere Überwärmung
des Körpers. Dies ist
wissenschaftlich
unumstritten.
Wie es in der
Berufsgenossenschaftlichen
Vorschrift heißt:
„Elektromagnetische
Felder können
unmittelbar über
Stromdichten oder Wärme
in Gewebe wirken“.
Zum Schutz vor
Überwärmung durch HF-Strahlung
sind Grenzwerte
festgelegt worden. Die
Werte gelten dabei
nicht der abgestrahlten Energie,
sondern der Intensität
der Einwirkung auf
den menschlichen
Körper.
Für die Bundeswehr, die
nach ihrer Aufstellung
mit amerikanischen
Radargeräten ausgerüstet
wurde, waren zunächst
die US-Richtwerte gültig.
Sie wurden 1958 in die
Zentrale Dienstvorschrift
44/20 („Bestimmungen
für die Verhütung von
Unfällen bei Arbeiten
an Radargeräten“) aufgenommen.
Darin wurden 10
Milliwatt pro Quadratzentimeter
Körperfläche als
höchstzulässige
HF-Strahlungsbelastung
für den Menschen festgelegt.
Dieser Wert wurde 1978
überall in der
NATO übernommen. Aus
ihm lassen sich die Abstände
berechnen, die
Radarpersonal einhalten
muss, um schädigende
Belastungen zu vermeiden.
Die einschlägigen
Sicherheitsabstände,
Schutzzonen und
Kontrollbereiche sind in system-
und gerätebezogenen
Vorschriften niedergelegt
worden.
Die Bundeswehr war auf
diesem Gebiet Vorreiter.
Eine gesetzliche
Regelung gab es zu diesem
Zeitpunkt noch nicht.
Für die zivile Öffentlichkeit
wurde 1984 zunächst
eine DIN-Norm zu HF-Grenzwerten
erlassen
, doch erst seit 1996
gibt
es mit der „26.
Verordnung zur Durchführung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes –
Verordnung
über elektromagnetische
Felder“ eine gesetzliche
Festlegung der
Grenzwerte.
Für die im Radardienst
Beschäftigten und für
die Öffentlichkeit
legen diese Regelungen
neue, beträchtlich reduzierte
Grenzwerte fest,
nämlich fünf Milliwatt pro
Quadratzentimeter für
Radarpersonal und ein
Milliwatt pro
Quadratzentimeter für die Öffentlichkeit.
Sie entsprechen den
berufsgenossenschaftlichen
Vorschriften und den
Empfehlungen
der Internationalen
Strahlenschutzkommission.
Die
Sicherheitsbestimmungen der Bundeswehr
entsprechen den
Regelungen im zivilen Bereich.
Mit ihnen wird der
Arbeitsschutz wie auch der
Schutz der
Allgemeinheit und der Nachbarschaft
gewährleistet.
Mit den
Sicherheitsmaßnahmen
soll vor allem
verhindert werden, dass Personen in
die Gefahrenbereiche
des Hauptstrahls gelangen.
Dafür sorgen unter
anderem die erhöhte Aufstellung
der Antennen (die auch
wegen einer ungestörten
Strahlausbreitung
anzustreben ist), die
Begrenzung des
Höhenabstrahlwinkels und die
Ausblendung bestimmter
Seitenwinkelbereiche.
Die Ausdehnung der für
den Schutz vor HF-Strahlung
notwendigen
Sicherheitsbereiche hängt
von vielen Faktoren ab.
Bei einem Verbund verschiedener
Radargeräte sind dabei
weniger die rotierenden
Überwachungsradare
maßgebend als
vielmehr die
Beleuchtungsradare, die auf ein Ziel
ausgerichtet sind und
es verfolgen.
Für eine Stellung des
Flugabwehrraketensystems
HAWK
wurde zum Beispiel der Sperr- und
Kontrollbereich
für die Hauptradarkeule
des Beleuchtungs-
Radargerätes HPIR mit
225 Meter und der
Überwachungsbereich mit
530 Meter Abstand
von der Antenne aus
vermessen. Der Durchmesser
der Hauptkeule
senkrecht zur Abstrahlmitte
beträgt bis zu zwölf
Meter. Strahlt, wie bei Luftverteidigungssystemen
üblich, das Radar nach
oben oder in die Waagerechte,
und sind die Antennen
erhöht aufgestellt, so spielen diese
Sicherheitsbereiche am
Boden keine Rolle.
Die nicht gewollten,
aber technisch nicht vollkommen
vermeidbaren
Nebenkeulen können zu
den Seiten, nach hinten
und auch nach unten abgestrahlt
werden. Sie können in
Antennennähe
ebenfalls hohe
Leistungsdichten erreichen und
erfordern
Sicherheitsbereiche um die Antenne
herum, die allerdings
selten einen Radius von
40 Metern
überschreiten.
Umstritten ist bis
heute, ob zwischen dem Auftreten
bestimmter
Krebserkrankungen – besonders
von Leukämien,
Lymphomen oder Hodentumoren
– und der Einwirkung
von HF-Strahlen
ein ursächlicher
Zusammenhang besteht.
Deren Energie wurde
bisher von der Mehrzahl der Fachleute
als zu gering
angesehen, um die Moleküle
im Zellkern zu
ionisieren und damit möglicherweise
Krebs zu
erregen.
Professor Eduard David
von der Universität Witten/
Herdecke resümiert die
gegenwärtige Lehrmeinung:
Für
Hochfrequenzstrahlung (HF) gilt derzeit in denAugen der
Experten als gesichert, dass von dieser Art der
Strahlung nicht die Gefahr einer
Krebsentstehung ausgeht.
Selbstverständlich ist es nicht möglich, einen Nullbeweis zu
erbringen.
Ein ganz ähnliches
Urteil über die Wirkung von
HF-Strahlung enthält
eine im Auftrag des norwegischen
Verteidigungsministeriums
verfertigte
Studie.
Das
Arbeitsmedizinische Institut Norwegens
hat den Zusammenhang
von HF-Strahlung
und Missbildungen bei
Kindern von Marinesoldaten
untersucht, die auf
einem mit einem 750 Watt
starken Störsender
ausgerüsteten Schnellboot
Dienst getan
hatten.
Das Institut kommt zu
dem
Schluss, dass es keinen
Hinweis auf einen derartigen
Zusammenhang gebe,
dieser aber dennoch
nicht vollkommen
ausgeschlossen werden könne.
Es bleibt denn ein Rest
von Unsicherheit. So hält
Günter Käs, Professor
für Radartechnik an der
Bundeswehr-Universität
Neubiberg bei München,
die gepulste
Hochfrequenzstrahlung, für die der
Gesetzgeber nur
Mittelwerte festlegt, für weit gefährlicher
als die
Röntgenstörstrahlung bei Radargeräten.
Es sei „hanebüchen“,
eine Gesundheitsgefährdung
auszuschließen.
Dr.
Bernd
Ramm, ein
Strahlenphysiker an der Berliner
Charité, gibt immerhin
zu bedenken, dass die HF-Strahlung
möglicherweise
menschliche Zellen
destabilisiert und sie
damit verwundbar macht für
die Wirkung von
Röntgenstrahlen.
Der Arbeitsstab
empfiehlt dem Bundesminister
der Verteidigung, die
Erforschung der gesundheitlichen
Folgen der HF-Strahlung
auch weiterhin
zu
unterstützen.
Röntgenstrahlung
Die von den Röhren der
Radargeräte ausgehende
Röntgenstrahlung ist
eine ionisierende Strahlung.
Bei medizinischen
Röntgengeräten wird sie absichtlich
erzeugt. Die Härte der
Strahlung und damit
ihre Eindringfähigkeit
in den menschlichen
Körper hängt von der
Spannung an der erzeugenden
Röhre ab.
Typische
Spannungswerte an
medizinischen
Röntgeneinrichtungen sind 50 bis
60 Kilovolt (kV) in der
Dentaldiagnostik und 110
Kilovolt in der
Lungendiagnostik.
Röntgenstrahlung wird
auch in anderen Elektronenröhren
erzeugt, ist dort aber
unerwünscht und wird daher
Störstrahlung genannt.
Beispiele für
Störstrahler sind
Radarsenderöhren vom Typ Thyratron,
Klystron, Magnetron
oder die Wanderfeldröhre,
aber auch Bildröhren
von Radargeräten,
Fernsehgeräten und
PC-Monitoren.
Im Sinne
der Röntgenverordnung
sind nur solche Bauteile
Störstrahler, an denen
die Hochspannung zur Beschleunigung
von Elektronen fünf
Kilovolt oder
mehr beträgt.
Typische
Werte der Hochspannung
an solchen Röhren sind
zwanzig bis fünfzig Kilovolt.
Es handelt sich also im
Vergleich zur medizinischen
Anwendung um
Röntgenstrahlung mit
geringerer
Eindringtiefe.
In einigen Fällen – etwa
in Radareinrichtungen
zur Luftraumüberwachung
mit Reichweiten über
200 Kilometern – werden
allerdings auch
Senderöhren mit Spannungen bis
zu 270 Kilovolt
betrieben.
Die Reichweite der
Röntgenstörstrahlung beträgt
einige Dezimeter bis
wenige Meter. Störstrahlung
stellt daher keine
Gefährdung für die Allgemeinheit
und die Nachbarschaft
dar.
Sie kann jedoch
das Radarpersonal
gefährden und ist damit in erster
Linie ein
Arbeitsschutzproblem.
Schutzmaßnahmen
sind hauptsächlich
Abschirmungen, Sicherheitsabstände
und Begrenzungen der
Aufenthaltsdauer
in der Nähe der
Geräte.
Die
Sicherheitsmaßnahmen beim Umgang mit ionisierender
Strahlung richten sich
nach zweierlei
Grenzwerten.
Emissionsgrenzwerte –
Werte also der von einer
Quelle ausgesandten
Strahlung – bilden das Kriterium
für die
Genehmigungspflicht von Anlagen
und für etwaige
Betriebsauflagen.
Die physikalische
Größe ist die
Ortsdosisleistung, gemessen in
Mikrosievert pro Stunde
(µSv/h). In zehn Zentimeter
Abstand von einem Gerät
darf (gemäß § 5
Röntgenverordnung) der
Grenzwert der Ortsdosisleistung
von ein Mikrosievert
pro Stunde
nicht überschritten
werden.
Immissionsgrenzwerte
sind nach § 31 der Röntgenverordnung
Maße für die Dosis, die
eine Person
über die natürliche und
medizinisch erforderliche
Strahlenbelastung
hinaus als Summe der
Einzelexpositionen in
einem bestimmten Zeitraum
höchstens aufnehmen
darf.
Sie werden als
Ganzkörper- und
Teilkörperdosis angegeben.
Im
einfachsten Fall ergibt
sich die Ganzkörperdosis
pro Jahr durch
Multiplikation der Ortsdosisleistung
mit der Anzahl der
Stunden, die sich eine
Person jährlich in dem
Strahlenfeld aufhält.
Die
Dosis wird in
Millisievert
angegeben.
Dabei
hängt ihre Wirkung von
einer Reihe weiterer Faktoren
ab wie der Härte und
der Energie der Strahlung;
der räumlichen
Ausdehnung und der Zugänglichkeit
des Strahlenfeldes;
schließlich auch
davon, welche
Körperteile betroffen sind.
Schäden durch
Röntgenstrahlung
An Radargeräten
Beschäftigte können von Röntgenstrahlung
getroffen werden, wenn
das Sendegerät
nicht ausreichend
abgeschirmt ist;
wenn die
Abschirmung defekt ist;
oder wenn ohne geeignete
Schutzmaßnahmen am
laufenden und zugleich
geöffneten Gerät
gearbeitet wird.
Über die schädigende
Wirkung von Röntgenstrahlen
liegen gesicherte
Erkenntnisse vor.
Sie
belegen unter anderem
die mögliche Entstehung
von Leukämie durch die
ionisierende Strahlung.
Diese greift
Zellstrukturen an und kann dadurch
bösartige Tumore
auslösen.
Es gibt leider heute
keinen Zweifel mehr,
dass das militärische
Radarpersonal in den
Anfangsjahren
der Bundeswehr
ionisierender Strahlung ausgesetzt
war.
Dies gilt zum
einen für Prüftechniker
und Instandsetzer, die
Wartungs- und Reparaturarbeiten
vielfach an geöffnetem
Gerät ausführen
mussten.
Es gilt jedoch
ebenso für die Bedienungsmannschaften,
die in der Nähe von
defekten
oder nicht ausreichend
abgeschirmten Radarsendern
zu arbeiten
hatten.
Das Bewusstsein für die
Gefahr war damals nur
gering ausgebildet –
wie in der zivilen Gesellschaft
ja auch.
Dort wurde das
Gefährdungspotenzial,
das von
Röntgenstörstrahlen ausgeht,
ebenfalls erst nach und
nach erkannt.
Noch bis in
die siebziger Jahre
galt die aus heutiger Sicht unzulängliche
Röntgenverordnung vom
7. Februar
1941; darin war
Störstrahlung aus Röhren in Radaranlagen
nicht erwähnt.
Die
Erste Strahlenschutzverordnung
vom 24. Juni 1960
brachte
auch noch keine
Regelung für den Umgang mit
Störstrahlern.
Sie
konkretisierte auf der Basis des
Atomgesetzes nur den
Schutz vor Schäden durch
radioaktive Stoffe.
Fest haftende radioaktive
Leuchtfarben wurden auf
Skalen oder Anzeigearmaturen
erlaubt, sofern sie
berührungssicher
abgedeckt waren.
Erst
am 1. Oktober 1973 trat
die neue
Röntgenverordnung in Kraft und ersetzte
das alte Regelwerk.
Zum
ersten Mal wurden
darin Störstrahler in
die Bestimmungen über den
Schutz vor
Röntgenstrahlen einbezogen.
Die Bundeswehr hatte
schon lange, ehe gesetzliche
Vorgaben bestanden, dem
Problem der Röntgenstrahlen
ihre Aufmerksamkeit
gewidmet.
Die Zentrale
Dienstvorschrift 44/20 aus dem Jahr
1958 enthielt erste
Hinweise auf Röntgenstrahlung
an Radargeräten mit
Impulsleistungen von
fünf bis zehn Megawatt
an der Senderöhre.
Bei
allen Arbeiten am
offenen Sender war für Abschirmung
zu
sorgen.
Im Auftrag des
Bundesministers der Verteidigung
gab dann die Deutsche
Gesellschaft für Ortung
und Navigation e.V. im
Dezember 1962 ein
„Merkblatt über die
Verhütung von Gesundheitsschäden
durch Radargeräte und
andere
Anlagen“ heraus.
Die
„Röntgenemission einiger
Röhren“ wurde in dem
Schriftstück als
eine von zwei
Gefahrenquellen aufgeführt.
Es
heißt
dort:
Röhren mit hoher
Betriebsspannung (über 5 kV) und
hohem Strom
können Quellen für Röntgenstrahlen
sein.
Röntgenemission wurde vor allem bei Thyratrons
und
Magnetrons beobachtet, während die
Röntgenemission
von
Bildschirmen bislang bedeutungslos ist.
Im
allgemeinen schirmen die Gehäuse der Geräte gut
gegen die
Röntgenstrahlung ab. Vorsicht ist aber geboten,
wenn unmittelbar
an solchen Röhren während
des
Betriebes gearbeitet wird.
Weiter heißt es in dem
Merkblatt mit Bezug auf
die Erste
Strahlenschutzverordnung von 1960:
Zwar befasst
sich diese Verordnung nur mit dem Schutz
vor
Schäden durch Strahlen radioaktiver Stoffe,
jedoch
empfiehlt es
sich, die den Schutz vor äußerer Bestrahlung
regelnden
Vorsorge- und Überwachungsgrundsätze
dieser
Verordnung sinngemäß anzuwenden, bis
eine
Strahlenschutzverordnung, die auch den Schutz
vor
Schäden durch unbeabsichtigt entstehende
Röntgenstrahlen
regelt, in Kraft
gesetzt ist.
Als Schutzmaßnahmen
wurden im einzelnen
empfohlen:
Bestellung
von Strahlenschutzbeauftragten,
Einrichtung von
Kontrollbereichen, Personendosisüberwachung
und halbjährliche
Belehrung
über
Schutzmaßnahmen.
Das Merkblatt fand
große Beachtung und Verbreitung
und musste deshalb ein
zweites Mal aufgelegt
werden.
Die Bundeswehr
hat sich schrittweise
bemüht, den darin
enthaltenen Empfehlungen
zu
folgen.
Im Februar 1963 wurde
in die Zentrale Dienstvorschrift
44/20 folgender Passus
übernommen:
Außerdem wird
darauf hingewiesen, dass bei Großgeräten
mit
Impulsleistungen von 5 MW und mehr
an
der Senderöhre auch Röntgenstrahlen entstehen
können.
Wird das Gehäuse
des Senders zur Vornahme von Mess- und
Abgleichsarbeiten
geöffnet, so sind die Öffnungen
z.B. zum
Herausführen von Kabeln oder zum Einführen
von
Werkzeug auf ein Mindestmaß zu beschränken.
Die
mit den Arbeiten beschäftigten Personen sind
durch
entsprechende Abschirmungen (mind. mit ca.
2
mm dicken Bleiplatten oder ähnlichem) vor den
Wirkungen
der
Strahlen zu schützen.
Die Vorschrift
verlangte außerdem, alle Bedienungsleute
eines Radargerätes vor
Beginn der
Radarausbildung über
die Bestimmungen zu
belehren und diese
Belehrung vierteljährlich zu
wiederholen.
Am 26. Oktober 1965
begann der erste Lehrgang
für
Strahlenschutzverantwortliche in Bereichen,
in denen mit
radioaktiven Stoffen umgegangen
wurde.
Dazu gehören
auch alle Radareinheiten.
Die Bestallung von
Strahlenschutzverantwortlichen
(später:
Strahlenschutzbeauftragten) wurde
sukzessive
vorgenommen.
Die Einrichtung von
Kontrollbereichen und
Schutzzonen und die
Ausstattung mit Personendosimetern
erfolgte zunächst
jedoch eher
fallbezogen als
systematisch.
Maßnahmen wurden
immer nur dann
ergriffen, wenn Messungen
überhöhte
Ortsdosisleistungen ergeben
hatten.
Nach dem Inkrafttreten
der Strahlenschutzverordnung
von 1973 ging die
Bundeswehr daran,
deren neue Bestimmungen
in ihrem Verantwortungsbereich
umzusetzen.
Es dauerte
allerdings
einige Zeit, bis sie
ihre Dienstvorschriften auf den
neuesten Stand brachte
und eigene Messprogramme
auflegte.
Diese Erkenntnisse und
auch diverse Schutzvorschriften
sind den Soldaten in
der Truppe
sicherlich nur zu einem
kleinen Teil zugänglich
gewesen.
Grundlegende
Sicherheitsbestimmungen
finden sich jedoch in
Zentralen Dienstvorschriften
wie der ZDv 44/20, die
bis auf die
unteren Ebenen verteilt
werden.
Sie sind auch eine
Grundlage für die
Ausbildung, die stets Unterricht
über
Sicherheitsbestimmungen einschließt,
und für die regelmäßig
wiederkehrende Belehrung
der
Truppe.
In den frühen Jahren
der Bundeswehr stammten
die meisten Radargeräte
aus den Vereinigten
Staaten.
Dort fand
häufig auch die Ausbildung
statt.
Zum
Ausbildungsmaterial gehörte beispielsweise
das Technische Handbuch
der U.S.
Air Force T.O.
31Z-10-4, das ausführlich über die
Entstehung und Wirkung
der unterschiedlichen
Strahlungsarten an
Radargeräten unterrichtet.
Es
war damals auch in der
Bundeswehr weithin in
Gebrauch.
Als Radartechniker
werden gerne Soldaten eingesetzt,
die bereits
einschlägige Vorkenntnisse
aus ihrer
Berufsausbildung mitbringen.
Unter
ihnen findet man
deshalb seit jeher Radio- und
Fernsehtechniker oder
Angehörige anderer Elektronikberufe.
Insofern darf wohl
angenommen
werden, dass vielleicht
nicht jeder einzelne, aber
doch die meisten
Radartechniker bereits Kenntnisse
über die Gefahren
mitbrachten, die Radargeräte
verursachen
können.
Messungen und
Missstände
Schon früh hatte die
Bundeswehr von externen
Stellen Messungen an
Radargeräten vornehmen
lassen. So empfahl das
Bayerische Landesinstitut
für Arbeitsschutz im
Dezember 1957 der Fliegertechnischen
Schule Kaufbeuren nach
Überprüfung
eines Bodengerätes
AN/CPN-4 wegen der
dabei festgestellten
Grenzwertüberschreitungen,
„umgehend eine
Bleiabdeckung an der Austrittstelle
der Röntgenstrahlen aus
dem Gerät anzubringen“.
Ähnlich nahm das
Fernmeldetechnische Zentralamt
im Auftrag der
Luftwaffe 1958 Messungen
an den Anflug- und
Landegeräten vom Typ
AN/CPN-4 in Kaufbeuren
und Lechfeld vor.
Dabei
wurden bei geöffneter
perforierter Klappe in
8 Zentimeter Abstand
von der Gerätefront 10 Millisievert
pro Stunde und im
Abstand von 18 Zentimetern
1 Millisievert pro
Stunde gemessen.
Der
Bericht bezeichnete
dies als hochgefährlich bei
Montage- und
Einstellarbeiten an dieser Stelle;
schon nach etwa neun
Minuten würde die zulässige
Wochendosis erreicht.
Die Ausrüstung des
mit diesen Arbeiten
beschäftigten Personals mit
Bleihandschuhen wurde
dringend empfohlen,
auch eine Verkleidung
der Röhre mit einem
Metallschutz.
Verschiedene Messungen
an Geräten gleichen
Typs ergaben öfters
unterschiedliche Resultate.
So stellte die damalige
Marine-Ortungsversuchsstelle
1963 nach
Strahlenschutzmessungen an den vier
verschiedenen Typen von
Radargeräten auf
der Schulfregatte
„Scheer“
fest,
dass die
Bestimmungen der ersten
Strahlenschutzverordnung
im
Normalbetrieb auf alle Fälle eingehalten
sind und ein
entsprechender Sicherheitsfaktor
ohne Gefahr für
das Bedienpersonal auch einen Ausnahmezustand
(zum Beispiel:
Fahren der Senderanlagen
bei
abgenommenen Abdeckplatten für Reparatur- und
Beobachtungszwecke)
zulässt.
Dabei ergab die Messung
für das Radargerät SGR
103: „Keine
nennenswerte Röntgen-Strahlung
nachweisbar.“
Dreizehn Jahre später
wurde für eben diesen Gerätetyp,
der auf 22 Schiffen und
Booten der
Marine installiert war,
nach einer Notfalluntersuchung
auf der Fregatte
„Emden“ eine ganz andere
Einschätzung abgegeben:
„Aus strahlenschutztechnischen
Gründen hätte eine
sofortige Stilllegung
aller
Radar-Sendeanlagen SGR 103 erfolgen
müssen.“
Der Leiter der
Untersuchung, Dr.
Hans Billaudelle,
warnte:
„Es muss damit gerechnet
werden, dass bei
Personen infolge überhöhter
Strahlendosen
Spätschäden zu erwarten sind.“
Und:
„Bei der
Beschaffung neuer Radaranlagen
muss sichergestellt
sein, dass die Röntgenstrahlung
dieser Geräte
vernachlässigbar gering ist.“
Der Arbeitsstab muss es
dahingestellt sein lassen,
worauf die
unterschiedlichen Messergebnisse an
Geräten gleichen Typs
zurückzuführen sind.
Die
Marine reagierte 1976
allerdings prompt.
Sie ordnete
eine Reihe von
Sofortmaßnahmen an:
Einrichtung
von Sperrbereichen,
Stilllegung von Anlagen bei
unzulässig hohen
Dosisleistungen;
Beschaffung von
Personendosimetern;
Anbringen
von Bleiabschirmungen
an den Lüftungsschlitzen;
Erfassung und ärztliche
Untersuchung der
Besatzungsmitglieder.
Allein für die Beschaffung
der Dosimeter und der
Auswertegeräte wurden
370.000 Mark
veranschlagt.
Die Anzahl der
Strahlenschutzmessungen nahm
im Laufe der Zeit zu.
Mitte der siebziger Jahre
stieg sie beträchtlich
an.
Dies war eine Reaktion
der Bundeswehr zum
einen auf die Röntgenverordnung
von 1973, zum anderen
auf mehr und
mehr Fälle, in denen
ein Verdacht auf Gesundheitsschädigungen
durch Strahlenbelastung
gemeldet
wurde.
Im Jahre 1975 führte
die Wehrwissenschaftliche
Dienststelle der
Bundeswehr für ABC-Schutz
Messungen an
Radargeräten durch.
Gleichzeitig
wurde Radarpersonal
ärztlichen Kontrolluntersuchungen
unterzogen.
Hinweise
auf Strahleninduzierte
Erkrankungen konnten
zum damaligen
Zeitpunkt nur in einem
Falle festgestellt werden.
Allerdings berichtete
das Marinearsenal Wilhelmshaven
am 27. November 1975 an
das Bundesamt
für Wehrtechnik und
Beschaffung, es bestehe
„seit kurzem bei
einigen Facharbeitern aus
der Radarwerkstatt“ ein
solcher Verdacht.
Es erging
Weisung, die
Betroffenen unverzüglich zum
Strahlenschutzarzt zu
bringen und bis zur Klärung
des Sachverhaltes diese
Radargeräte nicht
mehr in Betrieb zu
nehmen.
Bei Dosisleistungsmessungen
im Dezember 1975 wurde
für zwei
Geräte wegen der an
ihnen gemessenen „ganz erheblichen
Strahlenbelastung für
das Personal“ das
Betriebsverbot
wiederholt.
Im Januar 1976 wurde
der Arsenalbetrieb Kiel in
die Messkampagne
einbezogen, die sich von nun
an immer umfangreicher
und differenzierter gestaltete.
Am 7. Mai 1976 wurde
nach den verschiedenen
Störfällen eine
Ad-hoc-Gruppe eingesetzt.
Sie hatte die Aufgabe,
Schutzmaßnahmen
für Störstrahler von
Radaranlagen der Bundeswehr
zu erarbeiten.
Der
Grundsatz „Wer viel
misst, misst Mist“, dem
zuvor manche zu huldigen
schienen, geriet außer
Kurs.
Es fehlten jedoch
immer noch die
personellen wie materiellen Voraussetzungen
für die dringend
erforderliche
Überprüfung aller
Anlagen mit gefährlicher
Strahlung; jedenfalls
konnte sie nicht im notwendigen
Umfang durchgeführt
werden.
Im Jahre 1977 beschloss
die Bundeswehr die Einrichtung
von zwei mobilen
Strahlenmessstellen.
Aus den genannten
Gründen dauerte es aber noch
bis 1979, bis die
Messstelle Nord in Munster und
die Messstelle Süd in
Sonthofen ihren Betrieb
aufnahmen – damals
vornehmlich zur Kontrolle
der
Luftverteidigungssysteme der Luftwaffe
(HAWK, NIKE, PATRIOT)
Eine Zeitlang wurden
noch Vorfälle gemeldet.
So
ergaben
Strahlenschutzmessungen der Firma
Eltro, dass 1978 im
Arsenalbereich Wilhelmshaven
an den Radargeräten SGR
103, 105 und 114
ionisierende Strahlung
auftrat.
Daraufhin wurden
55 Personen der
Bundesausführungsbehörde für
Unfallversicherung und
dem Bundesamt für
Wehrtechnik und
Beschaffung gemeldet.
Im Oktober 1978 machte
die Firma Radarleit, ein
Geschäftsbereich der
Philips GmbH, das Marineunterstützungskommando
darauf
aufmerksam,
dass Schiffe der
Bundesmarine nicht mit den ursprünglich
gelieferten,
röntgensstrahlungsfreien und gesicherten Thyratrons des Typs RF 8613
RE
ausgerüstet
waren:
(Nur
beim Einsatz dieser Thyratrons in die
SGR-Anlagen
übernimmt [die
Lieferfirma] HSA die Garantie,
dass eine
Gefährdung durch Röntgenstrahlung nicht
eintritt.)
In
letzter Zeit haben wir bei Reparaturarbeiten an
Bord der Schiffe
der Bundesmarine festgestellt, dass
in
die SGR-Radaranlagen ganz normale
8613-Thyratrons
eingebaut sind.
Hierbei möchten wir besonders
auf
die Fregatte „Lübeck“ hinweisen, die zu einem
Training in
Portland nicht eines der vorgeschriebenen
Thyratrons an
Bord hatte.
Wir
möchten Sie nochmals darauf hinweisen, dass bei
einem Einsatz
dieser Thyratrons nicht nur eine
Röntgengefährdung
des
Bedienungspersonals auftreten
kann, sondern
auch an den Anlagen Folgeschäden eintreten
können.
Wir
möchten Sie bitten, bei den entsprechenden
Stellen
nochmals auf
dieses Problem aufmerksam zu machen.
Noch im März 1981
führte das Marineunterstützungskommando
Klage, dass die Firma
Siemens
„ca. 200 Thyratrons Typ
8613“ geliefert habe,
„die nicht den
Forderungen des MuKdo entsprechen
(keine zusätzliche
Bleiabschirmung).“
Die Messergebnisse der
späten siebziger Jahre
führten dazu, dass
weitere technische und personelle
Schutzmassnahmen
angeordnet wurden,
hauptsächlich die
Abschirmung der strahlenden
Bauteile und
kontinuierliche Überwachungsmessungen.
Außerdem wurde die
erste Generation
der Radargeräte
modernisiert oder allmählich
durch neue Geräte
ersetzt.
Nach den Erkenntnissen,
die der Arbeitsstab gewonnen
hat, wurden die Mängel
der Anfangszeit
zu Beginn des
Achtzigerjahrzehnts im Großen
und Ganzen
beseitigt.
3.
BEWERTUNG UND EMPFEHLUNGEN
Im Einzelnen ist
heutzutage nicht mehr zu klären,
wie gewissenhaft im
Hinblick auf die Wartungs- und
Instandsetzungsarbeiten
die dringlichen
Empfehlungen für die
Verwendung von Schutzhandschuhen
oder das Anbringen von
Metallabschirmungen
tatsächlich befolgt
worden sind.
Eine
Reihe von später
Erkrankten beklagt gesundheitliche
Schädigungen, für die
es drei mögliche
Erklärungen gibt:
mangelnde Belehrung,
unzulängliche
Sicherheitsvorkehrungen
oder eigen-mächtiges
Ignorieren der
Schutzbestimmungen.
Der Arbeitsstab ist auf
Beispiele für jede dieser
drei Möglichkeiten
gestoßen.
Wir haben sowohl
gehört, dass
ausreichende Belehrung erteilt wurde
, als auch, dass keine Belehrung
erfolgte.
Wir haben von
Vorgesetzten erfahren, die im Manöver
die Beachtung von
Schutzmassnahmen mit
der Bemerkung
unterbunden haben sollen: „Es
herrscht Krieg! Haben
Sie sich nicht so!“
Ebenso
aber haben wir von
Radarleuten erfahren, dass sie angesichts
der Bedrohung im Kalten
Krieg aus
Pflichtgefühl ein
gewisses Risiko eingegangen
sind – im Vertrauen
darauf, dass ihnen der Dienstherr
zur Seite stehen würde,
sollte sich später
herausstellen, dass
ihre Gesundheit geschädigt
wurde.
Es wurde uns
glaubwürdig vorgetragen, dass auf
Booten und Schiffen der
Marine schon immer alle
strahlenden Geräte
auszuschalten waren, bevor
im Mast gearbeitet
werden durfte.
Trotzdem war
es wohl zuweilen nicht
zu vermeiden, dass Personal
an Oberdeck in die
Radarkeule geriet.
Auch
wurde uns gegenüber die
Vermutung geäußert,
dass mancher
Radartechniker beispielsweise bei
der Fehlersuche an
Radargeräten in der Nase des
Starfighters, die bei
laufendem Betrieb vorgenommen
werden musste,
kurzerhand die Bleihandschuhe
ablegte, um besser
hantieren zu können.
Es wurde uns auch von
einem Fall berichtet,
in dem ein Soldat aus
schierem Mutwillen eine
Lampe so lange in den
Radarstrahl hielt, bis sie
rot
glühte.
die Schwierigkeit liegt
darin, dass all dies heute
nur schwer zu belegen
und ebenso schwer zu entkräften
ist. Inzwischen sind
dreißig oder vierzig
Jahre vergangen. die
Arbeitsbedingungen an den
Radargeräten der
damaligen Zeit lassen sich nur
in zeitraubenden
Nachforschungen ermitteln.
Für
die Radaranlagen
an/cpn-4, gebaut von 1950
an, sind technische
daten nicht mehr bekannt, für
die an/mps-14-anlage
sind sie nicht mehr komplett.
Desgleichen fehlt es an
verlässlichen Tätigkeitsbeschreibungen,
Dienstplänen,
Schichteinteilungen
und Angaben über die
Verweildauer
des Radarpersonals an
den Geräten.
Gerade in der
Frühphase, auf die die
meisten Wehrdienstbeschädigungsanträge
wegen
Strahlenexposition
zurückgehen, ist nicht
systematisch gemessen
worden, und selbst wo
Messungen vorgenommen
wurden, sind die
Ergebnisse oft nicht mehr greifbar.
Hinzu kommt, dass
keineswegs alle Geräte
eines Typs jeweils
defekt waren. Oft wurden an
ein und demselben Gerät
zu verschiedenen Zeiten
unterschiedliche Werte
gemessen.
Angesichts aller
Umstände wäre es töricht, pauschal
zu behaupten, sämtliche
Beschäftigten in
den betroffenen
Truppenteilen und Dienststellen
seien gefährdet
gewesen. Ebenso töricht wäre es
jedoch, die Möglichkeit
einer solchen Gefährdung
von vornherein in
Abrede zu stellen.
In Einzelfällen
sind
Bundeswehrangehörigen, Soldaten
und Zivilisten,
unzweifelhaft durch Röntgenstrahlen
von Radargeräten
gesundheitliche Schäden
zugefügt worden – ohne
dass der Bundeswehrführung
jedoch Vorsatz,
bewusstes Zurückhalten
von Informationen oder
ein gezieltes
Unterlassen von
Schutzmaßnahmen vorzuwerfen
wären.
Es kommt darauf
an, jeden einzelnen Fall
sorgfältig und
unvoreingenommen zu prüfen.
Dabei
darf die Bundeswehr
nicht die ganze Beweislast
den Betroffenen
aufbürden.
Sie muss sich selber
bemühen, die
tatsächlichen Arbeitsbedingungen
in den sechziger und
siebziger Jahren
aufzuklären – wozu sie
im übrigen gemäß WDB-Verfahrens-
Erlass verpflichtet
ist.
Wo
immer
sich solche Aufklärung
als unmöglich erweist,
sollte sie
Billigkeitserwägungen walten lassen
und sich juristische
Kleinkrämerei versagen.
Dies erscheint auch
deswegen angezeigt, weil in
den Jahrzehnten des
Ost-West-Konfliktes besondere
Bedingungen herrschten.
In akuten Krisen –
Berlin 1961, Kuba 1962,
Tschechoslowakei 1968,
Polen 1980 – und in
anderen Phasen erhöhter Einsatzbereitschaft
galt der alte
Soldatengrundsatz:
„Wirkung geht vor
Deckung“.
Die Überwachung
des Luftraums im Osten
durfte unter keinen Umständen
unterbrochen werden.
Die Flugabwehr
funktionierte im
Zwanzig-Minuten-Status. Das
hieß: Sie musste binnen
20 Minuten schussbereit
sein.
Trat ein Fehler
auf, so musste er sofort behoben
werden.
Das
Radarpersonal befand sich
während solch
kritischer Phasen 48 Stunden, aber
oft auch 72 oder gar 96
Stunden in der Stellung.
Vergleiche mit dem
zivilen Sektor werfen aus diesem
Grunde auch kaum
Erkenntnisse von Belang
ab.
Im zivilen Sektor werden geregelte
Arbeitszeiten
eingehalten.
Die
Radarsysteme sind bis auf
die Radarpistolen der
Polizei in aller Regel ortsfest
und nicht mobil wie die
meisten Bundeswehrsysteme.
Im übrigen gibt es
Ersatzgeräte, die während notwendiger
Reparaturarbeiten
eingeschaltet
werden können.
Ein
Totalausfall brächte
größere
Unannehmlichkeiten, wäre aber – anders
als im militärischen
Konfliktfall – nicht von existentieller
Bedeutung.
Ein objektiver Blick
zurück ergibt, dass die
Gesetze der
Bundesrepublik wie die Erlasse der
Bundeswehr die Palette
möglicher Gefährdungen
durch ionisierende
Strahlung in den Sechzigern
und den frühen
Siebzigern nicht lückenlos abgedeckt
haben.
Weder der
Gesetzgeber noch die
Bundeswehr haben diese
Gefährdungen als besonders
regelungsbedürftig oder
begrenzungswürdig
angesehen.
Dem
entsprach zu jener Zeit
die Sorglosigkeit der
allgemeinen Öffentlichkeit.
Ihr Risikobewusstsein
war gering. So fand zum
Beispiel niemand etwas
dabei, dass bis in die
Siebziger
Fußdurchleuchtungsapparate in den
Schuhgeschäften zum
Kundendienst gehörten.
Jung und Alt benutzten
sie weit intensiver und
freudvoller, als es zur
Überprüfung der Passgenauigkeit
neuer Schuhe
erforderlich gewesen wäre.
Diese Geräte sind dann
ganz plötzlich verschwunden.
Es geht denn auch nicht
um Schuldzuweisung
oder gar Verurteilung.
Der Fortschritt der wissenschaftlichen
Erkenntnis hat erst
spät zu einem
Umdenken im
Gefahrenschutz geführt – in der Gesellschaft
wie in der Bundeswehr.
Dies gilt generell
für den ganzen Bereich
des Arbeitsschutzes.
Deshalb wäre es auch
unbillig, wollte man an
die damaligen
Verhaltensweisen und Schutzmaßnahmen
die heutigen Maßstäbe
anlegen.
Es haben
alle hinzulernen
müssen. Man wusste vor vierzig
Jahren noch nicht, was
man heute weiß. Hätte
man es gewusst, hätte
man anders gehandelt.
Heute
kommt es allein darauf
an, wie die Bundeswehr
auf die
Unzulänglichkeiten der frühen Jahre
reagiert.
Den
Sachverhalt aufklären
Zunächst einmal obliegt
es der Bundeswehr angesichts
vieler Anträge auf
Anerkennung einer
Wehrdienstbeschädigung
durch Strahlenexposition,
angesichts mehrerer
Prozesse und zahlloser
Medienberichte, den
zugrunde liegenden Sachverhalt
zu
klären.
Den Anlass für eine
erste klärende Untersuchung
im Ministerium gab vor
mehr als einem Jahrzehnt
schon die Vorbereitung
einer Monitor-Sendung.
Sie lief am 18.
September 1990 unter dem Titel
„Tod durch Radar –
ungenügender Strahlenschutz
in der Bundeswehr“.
Die
dazu erarbeitete Stellungnahme
der Hardthöhe ging
Monitor am 31. August 1990 zu,
fand allerdings in der
Sendung
keine Berücksichtigung.
Zu diesem Zeitpunkt
waren dem Ministerium
lediglich 13 Anträge
auf Anerkennung einer
WDB durch Röntgen-
Störstrahlung bekannt.
Davon waren drei
Fälle abgelehnt, drei
aus „Fürsorgegründen“ anerkannt
worden; sieben befanden
sich noch in Bearbeitung.
Im Anschreiben an die
Monitor-Redaktion
stellte der Pressestab
fest, dass es sich um
„Einzelfälle“ handle,
„die auf technisches Versagen
oder auf Missachtung
von Vorschriften zurückzuführen
sind.“
Die Monitor-Sendung
fand damals keinen großen
Widerhall in der
Öffentlichkeit.
Die Bundeswehr
selbst hatte zu dieser
Zeit mit der bevorstehenden
Wiedervereinigung und
der Eingliederung der
Nationalen Volksarmee
ganz andere Prioritäten.
Auch wegen der
optimistischen Einschätzung,
dass es sich nur um
Einzelfälle handle, wurde die
Sache zunächst nicht
weiter verfolgt.
Ein Sanitätsoffizier
blieb allerdings
hartnäckig.
Nach vielen
klärenden Gesprächen
mit Wissenschaftlern
und der Überwindung
starker budgetärer Bedenken
gab das für den
medizinischen Arbeitsschutz
verantwortliche Referat
des Sanitätsdienstes im
Jahre 1996 beim Zentrum
für Elektropathologie
an der Universität
Witten/Herdecke eine epidemiologische
Studie in Auftrag.
Sie
sollte die Zusammenhänge
zwischen dem Umgang mit
militärischem
Radar und etwaigen
Gesundheitsschäden
des Radarpersonals
klären. Leider wurde
dieser Auftrag mit
anderen betroffenen Stellen im
Ministerium nicht
abgestimmt und blieb deswegen
weitgehend
unbekannt.
Ein irreführender Weise
als „Endbericht zum Gutachten
über gesundheitliches
Risiko beim Betrieb
von Radareinrichtungen
in der Bundeswehr“ deklarierte
Vorstudie legte Prof.
Dr. Eduard David,
der Leiter des
Instituts für Normale und Pathologische
Physiologie an der
Universität Witten/Herdecke,
im Jahre 2000 vor.
Bruchstücke davon gelangten
in die Öffentlichkeit
und wurden von den
Medien vielfach
aufgegriffen.
Auch das Schleswig-Holsteinische
Verwaltungsgericht
bezog sich in einem
Urteil vom 6. April
2001
auf diese
Vorstudie.
Dabei fiel weithin
unter den Tisch, dass dieser
Teil der Studie bisher
nur geringe Aussagekraft
besitzt.
Es handelt
sich im wesentlichen um eine
Literaturübersicht,
ergänzt durch subjektive Fallschilderungen
von Betroffenen oder
deren Hinterbliebenen.
Die
Krankheitsgeschichten wie die
Schilderung der
Arbeitsplatzbedingungen fußen
ebenfalls auf deren
subjektiven Angaben.
Mit objektiven
Daten konnten sie noch
nicht verglichen
werden.
Deswegen war
auch eine wissenschaftliche
Bewertung bisher nicht
möglich, wie Prof.
David in seinem Vorwort
vom 20. März 2001
selbst
feststellt.
Für die Untersuchung in
Witten/Herdecke wurden
aus den Jahren
1958-1994 die Fälle von 99
Radarmechanikern
herangezogen.
Sie waren
durch direkte
Kontaktaufnahme und mit Hilfe eines
unsystematischen
Schneeballsystems erfasst
worden.
Ihre Zahl ist
keineswegs identisch mit der
Zahl der Erkrankten,
und erst recht nicht mit der
Zahl aller
Radarmechaniker in der Bundeswehr.
Deren Kenntnis wäre
freilich nötig, um das allgemeine
Risiko epidemiologisch
zu bewerten.
Von 99 erkrankten
Mechanikern – meist älteren
Jahrgangs
– leiden 69 an Leukämie oder
anderen
Krebsarten, 24 starben
in einem Alter von
durchschnittlich 40
Jahren.
Viel mehr hat das
Forschungsteam in Witten/
Herdecke bisher nicht
in Erfahrung bringen können.
Von der Bundeswehr
lagen keine Unterlagen
zu heute oder früher im
Radarbereich Beschäftigten
vor.
Die Gesamtzahl der
Radarmechaniker
– „Grundgesamtheit“ in
der Sprache der Studie –
war nicht zu ermitteln.
Listen von Teilnehmern
an Radar-Lehrgängen in
den Vereinigten Staaten
konnten nicht beschafft
werden.
Zwanzig Millionen
Gesundheitsakten der
Soldaten liegen teilweise
unaufbereitet beim
Remagener Institut für
Wehrmedizinalstatistik
und Berichtswesen.
Das Institut
verfügt nicht über Daten,
aus denen
Tätigkeitsbereich und Erkrankungen
von Soldaten
hervorgehen.
Es gibt nicht einmal
eine Statistik über
Wehrdienstbeschädigungen,
aus der die Art der
Erkrankungen hervorginge.
Die bisherigen
Erkenntnisse sagen nichts darüber
aus, ob
Krebserkrankungen bei Radartechnikern
der Bundeswehr häufiger
vorkommen als bei
Nicht-Radarpersonal
oder in der übrigen Gesellschaft.
Nach der allgemeinen
Sterbestatistik kommen
auf 100.000 Menschen
zwischen 20 und 55
Jahren im Jahr zwischen
57 (1997) und 70 (1985)
Krebstote.
Legte man
diese statistische Größe
zugrunde, so ergäbe
sich für die Soldaten der
Bundeswehr eine Zahl
von jährlich zwischen 250
und 300 Krebstoten.
Tatsächlich aber waren es
zwischen 19 (1998) und
73 (1965/71).
Die statistischen
Grundlagen für solch einen Vergleich
sind jedoch sehr
unsicher.
Es ist fraglich,
ob sie selbst bei
großen Anstrengungen der Bundeswehr
für die Jahre 1956 –
1989 noch ermittelt
werden können.
Nur dann
jedoch werden die Folgestudien
des
Witten/Herdecke-Teams, die bis Mitte
2002 abgeschlossen sein
sollen, zu einer wissenschaftlich
fundierten Aussage
gelangen können.
Auf dem Felde der
medizinischen Aufklärung ihrer
Angehörigen bleibt der
Bundeswehr daher zunächst
nur eines:
Mehr
Information beschaffen
und mehr Information
bereitstellen.
Der Bundeswehr obliegt
jedoch nicht nur die Information
der Betroffenen und der
Öffentlichkeit.
Sie steht darüber
hinaus in der Pflicht, die Eingaben
aller, die eine
bösartige Erkrankung auf die
Tätigkeit an
Radareinrichtungen der Streitkräfte
zurückführen, zügig zu
bearbeiten und zu bescheiden.
Dies schuldet sie ihrem
Ansehen in der
Bevölkerung.
Sie
schuldet es der Aufrechterhaltung
ihrer Attraktivität für
den Nachwuchs an
Zeit- und
Berufssoldaten.
Schließlich schuldet sie
es ihrem eigenen
Fürsorgeprinzip.
In der Praxis
hapert es
damit.
Umgang mit
Geschädigten
Die Bundeswehr muss
sich fragen lassen, ob sie
ihre Angehörigen im
Falle von Schädigungen, die
im Dienst eingetreten
sind, angemessen versorgt.
In
Wehrdienstbeschädigungs-Verfahren, in denen
Strahleneinwirkungen
als Erkrankungsursache
vermutet werden, ist
die Beweislage oft schwierig.
Die vermutete Ursache
liegt viele Jahre zurück,
und es sind damals
keine WDB-Blätter angelegt
worden.
Jetzt muss
ermittelt werden, mit
welcher
Strahlenbelastung die frühere Tätigkeit am
Radar verbunden war und
ob diese Tätigkeit
mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit ein Krebsleiden
ausgelöst haben
kann.
Dabei ist zu
berücksichtigen, dass statistisch rund
25 Prozent aller
Menschen in Deutschland an
bösartigen
Tumorbildungen sterben.
Teils ist dies
anlagebedingt, teils
liegt es an der privaten Lebensführung,
etwa dem Tabak- oder
Alkoholkonsum.
Daher wäre es nicht
gerechtfertigt, jedes bei
dem erkrankten
Personenkreis auftretende Krebsleiden
ungeprüft der
Radartätigkeit zuzuschreiben.
Vielmehr ist in jedem
einzelnen Falle zu prüfen,
ob es konkrete
Anhaltspunkte dafür gibt, dass
der Betroffene auch
tatsächlich bei der Bundeswehr
einer
Gesundheitsgefährdenden Strahlung
ausgesetzt
war.
Zuständig für die
Versorgung der Soldaten bei
Wehrdienstbeschädigungen sind
während des
Wehrdienstes die
Wehrbereichsverwaltungen III
(Düsseldorf) und V
(Stuttgart), für die Zeit
danach die
Versorgungsämter der Länder.
Für
ehemaligen
NVA-Angehörige ist es die Wehrbereichsverwaltung
VII (Strausberg).
Sie
sind
auch dann für die
Erstentscheidung zuständig,
wenn bereits aus dem
Dienst ausgeschiedene
Soldaten Leistungen für
die Zeit nach dem Dienst
bei den
Versorgungsämtern geltend machen.
Umgekehrt
liegt die Zuständigkeit
zur Erstentscheidung
für entlassene
Wehrpflichtige bei den Versorgungsämtern.
So haben immer dann,
wenn
Leistungen sowohl für
die Zeit während des
Wehrdienstes als auch
für die Zeit danach geltend
gemacht werden, zwei
verschiedene Behörden
über den selben
Sachverhalt zu entscheiden.
Um
unterschiedliche
Entscheidungen zu vermeiden,
sind die Festlegungen
der Wehrbereichsverwaltungen
oder der
Versorgungsämter, aber auch Urteile
der Sozialgerichte
jeweils für alle anderen
Behörden bindend.
Die
abschließende versorgungsmedizinische Stellungnahme
bei allen WDB-Verfahren
trifft das
Sanitätsamt der
Bundeswehr.
Zur Verbesserung,
vor allem zur
Beschleunigung der Verfahren, beabsichtigt
der Sanitätsdienst, die
Aufgaben der
WDB-Begutachtung und
der Lungen- und TBC-Fürsorge
mit denen des Instituts
für Wehrmedizinalstatistik
und Berichtswesen in
einem Wehrmedizinalinstitut
zusammenzufassen.
Viele Antragsteller,
die bei sich eine Strahlenschädigung
vermuten, haben darüber
geklagt,
dass es ihnen nicht
möglich ist, den schlüssigen
Nachweis einer
Schädigung zu liefern.
Besonders
schwer fällt es ihnen,
die tatsächlichen Arbeitsbedingungen
in den sechziger und
siebziger
Jahren hinreichend zu
rekonstruieren.
Viele der
damals eingesetzten
Radaranlagen gibt es nicht
mehr.
Deren
tatsächliche Abstrahlung lässt sich
im Nachhinein nur noch
theoretisch berechnen.
Andere, noch vorhandene
Geräte wurden inzwischen
technisch modernisiert
und baulich
verändert.
Gerade die
Abschirmung von Röhren
und Geräteschränken
gegen austretende Röntgenstrahlung
ist erheblich
verbessert worden,
so dass
Röntgenstrahlung nicht mehr austreten
kann.
Insofern bringen
heutige Messungen an
diesen Geräten kaum
Erkenntnisse, die Rückschlüsse
auf die damalige
Strahlenexposition
erlauben.
Schließlich
ist zu bedenken, dass die
Strahlung einzelner
Geräte in der Praxis beträchtlich
von dem theoretisch
ermittelten Wert abweichen
kann – zum Beispiel,
wenn ein Gerätegehäuse
verzogen ist und
Strahlung aus Spalten austritt.
Nun gab es – siehe oben
– früher nur wenige Messungen,
und das Personal ist
nicht regelmäßig
überwacht worden. Auch
in solchen Fällen ist es
möglich, den Angaben
des Antragstellers zu folgen,
wenn er die Umstände
des Falles glaubhaft
machen kann.
Ein
Notbehelf ist dabei die nachträgliche
Festlegung einer
„Ersatzdosis“, die ein Geschädigter
an seinem Arbeitsplatz
aufgenommen
haben könnte.
Sie wird
auf der Grundlage
der vorliegenden
Erkenntnisse über die Strahlung
des jeweiligen Geräts
und der von dem Betroffenen
dort verbrachten Zeit
ermittelt.
Wenn jedoch
verlässliche
Erkenntnisse nicht vorliegen
und von der Bundeswehr
auch nicht beigebracht
werden können, wird die
Festlegung leicht zu einem
Akt der Willkür.
Der
Arbeitsstab hat einen
Fall kennen gelernt, in
dem die zunächst mitgeteilte
„Ersatzdosis“ binnen
kurzer Frist verdreifacht
wurde.
Die Hürden sind also
hoch für Antragsteller, und
erst recht für
Hinterbliebene.
Wie soll ein ehemaliger
Soldat nach Jahrzehnten
noch seine
genauen Arbeitsumstände
beschreiben? Wie kann
gar seine Witwe eine
solche Beschreibung
liefern?
Gerade die
Tätigkeit in den Radarstellungen
unterlag schließlich
höchster Geheimhaltung.
Fazit
Die derzeitige Lage ist
in dreierlei Hinsicht unbefriedigend.
Erstens ist die
administrative Handhabung auf
vielfältige Weise
zersplittert.
Soldaten, ehemalige
Soldaten, Beamte im
Dienst und Beamte im
Ruhestand, aktive und
ehemalige zivile Mitarbeiter,
ehemalige
Wehrpflichtige der Nationalen
Volksarmee und
ehemalige Berufs- und Zeitsoldaten
der NVA werden nach
unterschiedlichen
Verfahren abgefunden.
Für Soldaten, die noch im
aktiven Dienst stehen,
ist die Bundeswehr zuständig,
für Ausgeschiedene sind
es die Versorgungsämter
der Länder.
Die
Zuständigkeit für die
Bearbeitung der Fälle
ist also aufgeteilt. Sie werden,
wie es das
WDB-Verfahren routinemäßig vorsieht,
als Einzelfälle durch
eine der drei zuständigen
Wehrbereichsverwaltungen oder
durch
die Versorgungsämter
bearbeitet, ohne dass die
Erkenntnisse aus
früheren Fällen zusammengeführt
würden.
Zweitens dauern die
Anerkennungsverfahren viel
zu lang.
Einzelne
schleppen sich über Jahre hin.
Dem Arbeitsstab sind
Fälle bekannt geworden,
die in mehr als zehn
Jahren nicht abgeschlossen
werden konnten.
Manch
ein Betroffener ist darüber
gestorben. Aber auch
Verfahren, die am Ende
zum Erfolg führen,
ziehen sich oft problematisch
lange hin.
Dies liegt
mit daran, dass sich die
Bundeswehr bisher nicht
systematisch um die Beschaffung
von Informationen über
frühere Arbeitsbedingungen
an Radargeräten bemüht
hat.
Ihrer
Mitwirkungspflicht an der Beweiserhebung
kommt sie also nur
ungenügend nach. Davon abgesehen,
sind die vorhandenen
Informationen
über frühere
Arbeitsplätze lückenhaft, weit verstreut
und nicht zentral
abrufbar.
Drittens arbeiten die
zuständigen Verwaltungen
nicht nur langsam,
sondern sie erwecken allzu oft
auch den Eindruck, dass
es ihnen in erster Linie
darauf ankommt,
finanzielle Ansprüche gegen
den Staat abzuwehren.
Sie fürchten die Präzedenzwirkung
von
Verwaltungsentscheidungen
und blocken daher gern
ab.
Aus jedem dieser drei
Befunde ergibt sich eine
klare
Empfehlung.
Zum ersten:
Es wäre
vermessen, wollte der Arbeitsstab
eine grundsätzliche
Neuregelung des
Versorgungswesens
vorschlagen – auf längere
Sicht etwa die
Angleichung der Entschädigungsverfahren
für alle Angehörigen
der Bundeswehr,
ob aktiv oder
pensioniert.
Doch gibt es Maßnahmen,
die der Bundesminister
der Verteidigung zügig
in eigener
Zuständigkeit und ohne Abstimmung mit anderen Ressorts ergreifen kann.
So
sollte er die
Bearbeitung jener WDB-Verfahren
wegen Radarschädigung,
für die die Bundeswehrverwaltung
zuständig ist, einer
einzigen Wehrbereichsverwaltung
übertragen und dort in
einer Arbeitseinheit
zusammenfassen.
Diese
wäre auch
die Ansprechstelle für
Versorgungsämter. Solch
eine Regelung hätte den
Vorteil, dass die Expertise
der Bundeswehr an einem
Ort gebündelt wäre;
dass unnötige
Überschneidungen oder Parallelarbeit
vermieden würden; und
dass die Einheitlichkeit
der Beurteilung
verbürgt wäre.
Eine zentrale
Stelle dieser Art würde
die Bearbeitung der
WDB-Fälle wesentlich
erleichtern und verkürzen.
Zum zweiten:
Die
Bundeswehr muss stärker mithelfen,
die früheren
Arbeitsplatzverhältnisse zu
ermitteln.
Das
erfordert ihre Bereitschaft, großzügig
umfassende
Nachforschungen anzustellen,
einschließlich
systematischer Befragungen von
früherem Radarpersonal
und notfalls der technischen
Rekonstruktion von
Anlagen der Anfangsjahre.
Sie muss Auskunft geben
können, an welchen
Gerätetypen aus
heutiger Sicht von schädlicher
Strahlung auszugehen
war.
Ferner muss sie
klären, wie der
Dienstbetrieb organisiert und wie
viele Tage im Jahr
welcher Bereitschaftszustand
angeordnet war, welche
Funktionsträger sich in
gefährdeten Bereichen
aufhielten und welche
Aufenthaltsdauer pro
Schicht anzusetzen ist.
Die
Ermittlungen müssen
sich auf alle wichtigen Waffensysteme
mit stärkeren
Radaranlagen beziehen.
Dazu gehören neben der
Luftverteidigung vor allem
Kampfflugzeuge und
Schiffe.
Eine Einzelfallklärung
der Arbeitsbedingungen
wäre dann
nur noch notwendig,
wenn eine der Seiten grobe
Abweichungen von der
Norm behauptet.
Dies
kann etwa der Fall
sein, wenn ein Soldat glaubhaft
machen will, dass er
wegen ungewöhnlich
häufiger Defekte seiner
Batterie viel öfter als andere
Reparaturen am
geöffneten Gerät durchführen
musste.
Für all diese
Ermittlungen sollte im Bundesministerium
der Verteidigung der
Beauftragte für die
Arbeitssicherheit
zentral zuständig sein.
Zu seiner
Unterstützung kann eine
Arbeitsgruppe im
Nachgeordneten Bereich
eingerichtet werden.
Mit der „Aufklärung der
Arbeitsplatzverhältnisse
Radar“ sollte
unverzüglich begonnen werden,
weil jetzt noch
Radarpersonal aus den frühen Jahren
im Dienst ist.
Die
Untersuchung muss zügig
geführt werden, weil
die Bundeswehr dies den
Betroffenen schuldet.
Und sie muss parallel zu
der epidemiologischen
Studie von Prof. Eduard
David und unabhängig
von ihr geführt werden, da
weder der Zeitbedarf
noch ein aussagekräftiges
Ergebnis dieser Studie
mit Sicherheit abzusehen
ist.
Eine Übersicht
über die Belastungen, denen
Radarpersonal in der
Vergangenheit auf bestimmten
Dienstposten regelmäßig
ausgesetzt war, wird
jedoch schnell
benötigt.
Eine solche Übersicht
über die früheren Arbeitsplatzverhältnisse
würde dann die Bildung
von
Fallgruppen erlauben.
Ähnlich gelagerte Fälle –
zum Beispiel von
Betroffenen, die am gleichen
Radarsystem gearbeitet
haben – könnten auf diese
Weise kategorisiert und
sowohl effizienter als
auch rascher
entschieden und beschieden werden.
Eine Einteilung in drei
Fallgruppen erschiene dabei
logisch:
1. Fälle von erkrankten
ehemaligen Radartechnikern,
Radarbedienern und
Radarausbildern,
die nachweislich an
Geräten gearbeitet haben,
bei denen
Grenzwertüberschreitungen bekannt
sind.
Außerdem gehören
in diese Fallgruppe
alle, die an Geräten
gearbeitet haben, für die
aus der fraglichen Zeit
keine Messwerte vorliegen,
sofern für typgleiche
Geräte Grenzwertüberschreitungen
nachgewiesen sind.
Die
Plausibilität eines
Kausalzusammenhangs – juristisch
ausgedrückt der
Nachweis des ersten Anscheins –
muss besonders für das
Radarpersonal
der ersten
fünfundzwanzig Jahre genügen.
2. Fälle, in denen ein
solcher Kausalzusammenhang
prima facie
unwahrscheinlich ist.
3. Zweifelsfälle in der
Grauzone zwischen den
beiden ersten
Kategorien.
Je besser die Aufklärung
der früheren
Arbeitsplatzverhältnisse
gelingt, desto kleiner
wird diese Gruppe sein.
Die
Fallgruppenzuweisung kann durch die vorgeschlagene
Zentralstelle bei einer
Wehrbereichsverwaltung
vorgenommen werden.
Diese
muss sich dabei auf die
in der Bundeswehr vorhandene
Gutachterkapazität
stützen können.
Es
wäre deshalb fatal,
wenn der kleine Trupp medizinischer
Gutachter im Zuge der
Neustrukturierung
der Streitkräfte
vermindert oder gar aufgelöst
würde. Zusätzlich wäre
zu erwägen, ein unabhängiges
Gremium zu berufen, das
der
zuständigen
Wehrbereichsverwaltung Empfehlungen
für die
Fallgruppeneinstufung gibt.
Zum dritten: Jeder
Jurist weiß, dass das öffentliche
Recht keine Kulanz
erlaubt.
Die richterliche
Praxis wie die
Lebenserfahrung des Nichtjuristen
lehrt indessen, dass es
innerhalb des Rechts legale
und legitime
Ermessensspielräume gibt.
Wo es
um Entschädigung und
nicht um Schadenersatz
geht, ist Generosität
nicht rechtsfremd. Individuelle,
wenn auch typisierende
Anspruchsprüfung
muss sein, denn es geht
um das Geld des
Steuerzahlers.
Kein
Staatsdiener darf sich der
Untreue zu Lasten des
Staates schuldig machen.
Wo aber selbst der
Dienstherr, vom Antragsteller
ganz abgesehen, nicht
mehr in der Lage ist, einen
Arbeitsplatz genau zu
beschreiben, sollte dies zugunsten
des Antragstellers oder
Klägers ausgelegt
werden, denn die
Ermittlung der in Frage stehenden
Daten und Fakten liegt
in der Verantwortungssphäre des
Dienstherrn.
Mit einer
Umkehr
der Beweislast hat dies
nichts zu tun.
Vielmehr
geht es allein um die
gebotene Mitwirkungspflicht
der Bundeswehr beim
Nachweis früherer
Arbeitsumstände.
Hier muss sich die
Bundeswehr hüten, dass ihr
nicht Zögerlichkeit und
Unsensibilität ihres Verwaltungshandelns
als Ansatz zur
Beweisvereitelung
ausgelegt werden
können.
Sie muss nicht jede
Frist unbedingt voll
ausschöpfen; dies trägt nur
zur Verschleppung der
Verfahren bei.
Eine grundsätzliche
Begrenzung der
Verfahrensdauer (die
allerdings auch von
überlasteten Gutachtern und
Gerichten mit
beeinflusst wird) wäre höchst wünschenswert.
Auch sollte sich die
Bundeswehr jene
Art von Schnödigkeit
versagen, die sich darin
ausdrückt, dass man
einem auf den Tod daniederliegenden
Antragsteller statt
eines erfahrenen
Sozialberaters ein
umfängliches Formular
schickt.
Was aber das Bemühen
der Bürokratie angeht, die
Staatskasse zu schonen,
so kann Sparsamkeit am
falschen Platze die
Bundeswehr teuer zu stehen
kommen.
Die
Beschädigtenrenten liegen – je
nach dem Grad der
Minderung der Erwerbsfähigkeit
– bei bescheidenen 400
bis 1200 Mark
im Monat.
Rechnet man
die Prozesskosten, die
Gutachterhonorare, den
Verwaltungsaufwand
dagegen, vor allen
Dingen jedoch den Imageschaden
und den
Vertrauensverlust der eigenen
Leute, den jede
negative Schlagzeile der Bundeswehr
einbringt, so ergibt
sich ein ganz anderer
Saldo.
Mit einem Etat
für die Nachwuchswerbung
in Höhe von 18
Millionen ist dagegen nicht
anzukommen.
Im übrigen gibt es das
Instrument des außergerichtlichen
Vergleichs,
gegebenenfalls unter Aussetzung
der Anerkennung eines
schuldhaften
Handelns.
Es sollte
viel öfter zum Zuge kommen –
zumal in all jenen
Fällen, wo der erste Anschein
eines ursächlichen
Zusammenhangs zwischen
Strahlenexposition und
Erkrankung sich einleuchtend
aufdrängt.
Die
Vorstellung, dass die
präjudizierende Wirkung
solcher Vergleiche eine
Flut ähnlicher Begehren
auslöst, müsste jeder begabte
Jurist durch
salvatoresche Klauseln, die dies
verhindern, ausräumen
können.